Entwicklung eines Modells zur Wirkungsmessung der Rehabilitation
Dieser Artikel beschreibt einen Ansatz zu einer zielgerichteten und transparenten Messung der Wirkung ambulanter und stationärer Rehabilitationsleistungen. Der Ansatz berücksichtigt u.a. die Optimierung der Funktionsfähigkeit (inklusive Arbeitsfähigkeit) und ist die Basis für eine kontinuierliche Verbesserung von Rehabilitationsleistungen der Suva.
Inhalt
Maren Hopfe a b, Melissa Selb a b c, Cristina Ehrmann b, Mirjam Brach b, Urban Schwegler a b, Barbara Schiffmann b, Carla Sabariego a b d, Gerold Stucki a b c d
a Departement Gesundheitswissenschaften und Medizin, Universität Luzern
b Schweizer Paraplegiker-Forschung, Nottwil
c ICF Research Branch, Nottwil
d Center für Rehabilitation in Globalen Gesundheitssystemen, Kollaborationszentrum der
Weltgesundheitsorganisation, Universität Luzern
Einleitung
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) stellt mit ca. 1,98 Millionen Versicherten verteilt auf 127 000 Unternehmen die grösste Unfallversicherung der Schweiz dar. Zu ihren Kerngebieten zählt, neben der Prävention und der Versicherung, auch die Rehabilitation. Gemeinsam mit Prävention und Kuration stellt die Rehabilitation eine der drei zentralen Gesundheitsstrategien des 21. Jahrhunderts dar [1]. Sie umfasst eine ganzheitliche Behandlung der Versicherten, um diese möglichst erfolgreich in das Alltagsleben und die Arbeitswelt zurückzubringen [2]. Um auch in Zukunft eine den Patientenbedürfnissen entsprechende Versorgung in der Rehabilitation zu gewährleisten, hat die Suva im Jahre 2018 die Entwicklung und Implementierung einer kontinuierlichen und standardisierten Wirkungsmessung von ambulanten und stationären Rehabilitationsleistungen initiiert.
Im gesundheitswissenschaftlichen Verständnis umfasst «Wirkung» alle Veränderungen oder Ergebnisse, welche im weitesten Sinne auf die Durchführung einer Gesundheitsdienstleistung zurückgeführt werden können [3]. Dies umfasst sowohl erwartete und unerwartete, intendierte und nicht intendierte, als auch positive und negative Veränderungen. «Wirkungen» können nach ihrer Art (z. B. ökonomisch, sozial oder politisch), Dauer (kurz-, mittel- oder langfristig) und der Manifestationsebene (z. B. Patient, Klinik, Versicherung, Gesellschaft) differenziert werden.
Im Kern der Wirkungsdebatte steht das Thema der nachhaltigen Sicherstellung einer adäquaten, zielgerichteten und effizienten Versorgung der Patienten und Patientinnen (nachstehend «Patienten» genannt) mit ambulanten und stationären Rehabilitationsleistungen. Es soll transparent aufgezeigt werden, mit welchem Ergebnis die Leistungserbringer ihre diesbezüglichen Aufgaben erfüllen. Um die Wirkung einer Rehabilitationsleistung korrekt zu erfassen, müssen dabei über die Erhebung betriebswirtschaftlicher und ökonomischer Kennzahlen hinaus auch die der Rehabilitationsleistung zugrundeliegende Indikationsstellung und Zielsetzung berücksichtigt werden.
Die Ziele der Rehabilitation sind breit gefächert und reichen von der zielgerichteten Optimierung der Funktionsfähigkeit, der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit, der Entwicklung von Fähigkeiten zur Bewältigung berufsbezogener Anforderungen zur Rückkehr ins Berufsleben bis zur Vermeidung einer dauerhaften Beeinträchtigung der Partizipation und eines frühzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben [4]. Wichtig ist hierbei, dass eine Wirkung in Bezug zur Rehabilitationsleistung gesetzt werden kann. Entsprechend ist die Wirkung der Rehabilitationsleistung als Veränderung gegenüber der Ausgangslage (vor Beginn der Rehabilitationsleistung) zu betrachten.
Grundlage für die Messung der Wirkung von Rehabilitationsleistungen ist die Definition wirkungsrelevanter Variablen, welche sowohl Informationen für eine Kosten-Nutzen-Optimierung liefern als auch dem in der Rehabilitation vorherrschenden bio-psycho-sozialen Ansatz gerecht werden [5]. Experten der Universität Luzern haben in enger Zusammenarbeit mit der Suva ein idealtypisches Modell zur Wirkungsmessung von Rehabilitationsleistungen entwickelt, welches in diesem Artikel vorgestellt werden soll.
Das entwickelte Modell stellt ein lernendes System dar, das es ermöglicht, die Entwicklung des Rehabilitationserfolgs periodisch zu erfassen, mit der Vorperiode zu vergleichen und gegebenenfalls Optimierungsmassnahmen zu planen und umzusetzen. Das Modell basiert auf Expertenwissen und der aktuellsten Evidenz in der Rehabilitationsforschung. Die Wirkung anderer, in Kliniken erbrachter Leistungen, wie zum Beispiel die Erstellung medizinischer Gutachten, können mit diesem Modell nicht erfasst werden, da hierfür eine juristisch orientierte Betrachtung der Wirkung erforderlich ist.
Modell zur Wirkungsmessung von Rehabilitationsleistungen der Suva
Basis für die Wirkungsmessung von Rehabilitationsleistungen der Suva ist das Logic Model, welches in der Entwicklung von Wirkungsmodellen weit verbreitet ist [6]. Es stellt vereinfacht eine Wirkungskette dar, durch welche unterschiedliche Wirkungsebenen und deren Zusammenhänge aufgezeigt werden können.
Die Grundlage für das vorliegende Wirkungsmodell zur Messung ambulanter und stationärer Rehabilitationsleistungen bilden die Wirkungsebenen Eingangsfaktoren, Input, Output, Outcome und Impact (siehe Abbildung 1). Ausgangspunkt der Wirkungsmessung ist die Situation des Patienten und seine individuelle Rehabilitationsindikation vor Beginn der Rehabilitationsepisode. Diese Situation ist durch die Eingangsfaktoren im Wirkungsmodell abgebildet. Basierend darauf beschreibt das Wirkungsmodell, welche Rehabilitationsleistungen (Input) dazu verwendet werden, eine Veränderung bzw. Wirkung zu erzielen (Output), die direkt nach Ende der erhaltenen Leistungen gemessen wird. Der Output steht somit in direktem Bezug zu den erbrachten Rehabilitationsleistungen (Input) innerhalb einer Rehabilitationsepisode. Diese Wirkungsebenen werden später im Artikel detaillier beschrieben.
Dem Logic Model liegt die Zielsetzung einer kontinuierlichen Wirkungsmessung von Rehabilitationsleistungen im Kontext der Suva zugrunde. Diese Leistungen folgen keinem standardisierten zeitlichen Ablauf und können sowohl direkt nach der Behandlung in einem Akutkrankenhaus als auch Jahre nach einem Unfall erfolgen. Patienten können auch mehrere Rehabilitationsepisoden bei unterschiedlichen Leistungserbringern durchlaufen. Um dieser zeitlichen Komplexität der Leistungserbringung gerecht zu werden und eine zielgerichtete und transparente Messung der Wirkung pro Leistungserbringer zu gewährleisten, orientiert sich das vorliegende Wirkungsmodell an Rehabilitationsepisoden, welche zeitlich unabhängig vom Unfallereignis zu betrachten sind. Das Wirkungsmodell umfasst die Planungs- und Koordinationsphase vor einer Rehabilitationsepisode, in welcher die Rehabilitationsabklärung erfolgt, die Rehabilitationsepisode selbst, in welcher Leistungen erbracht werden, sowie die Episode nach Erbringung der Rehabilitationsleistungen (nach Rehabilitationsepisode). Siehe Abbildung 1. Diese kann einen Hinweis auf die Nachhaltigkeit der erbrachten Rehabilitationsleistungen geben. Ein übergreifendes Logic Model für das Monitoring und die Evaluation von Rehabilitationsleistungen wurde vor Kurzem in einer internationalen Zeitschrift veröffentlicht [7].
Wie können die zentralen Ziele der Rehabilitation abgebildet werden?
Hauptziel der Rehabilitation ist die Wiederherstellung oder Optimierung der Funktionsfähigkeit von Personen und ihrer Fähigkeit, am gesellschaftlichen Leben zu partizipieren sowie das Minimieren ihrer Behinderungserfahrung [8, 9]. Die Verbesserung von Funktionsfähigkeit und Partizipation sollte somit als zentraler Erfolgsindikator in der Wirkungsmessung ambulanter und stationärer Rehabilitationsleistungen implementiert werden [10].
Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bildet das Referenzsystem für die standardisierte Erfassung, Beschreibung und Dokumentation von Funktionsfähigkeit und unterstützt eine zielgerichtete, aussagekräftige und transparente Wirkungsmessung von Rehabilitationsleistungen. Das multidimensionale ICF-Verständnis sieht Funktionsfähigkeit als Resultat der Wechselwirkung zwischen unterschiedlichen Komponenten von Gesundheit, darunter Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivitäten und Partizipation, sowie potentieller umwelt- und personenbezogener Einflussfaktoren. Die ICF besteht aus Kategorien, welche die oben genannten Komponenten sowie Umweltfaktoren beschreiben. Damit wird eine ressourcenorientierte und ätiologie-neutrale Beschreibung der Funktionsfähigkeit einer Person mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung möglich [11, 12].
Voraussetzung für eine patientenorientierte Abbildung der Funktionsfähigkeit ist die Identifikation relevanter Kategorien. Für die Anwendung der ICF in der Praxis wurden anhand eines mehrstufigen Verfahrens verschiedene diagnose- und setting-spezifische Sets von ICF-Kategorien, sogenannten «ICF Core Sets», entwickelt [13, 14]. Zur Erfassung und Dokumentation der Funktionsfähigkeit von Patienten in der Rehabilitation unabhängig von Diagnose oder Gesundheitsproblem wurde das «ICF Generic-30 Set» entwickelt [15]. Es umfasst 30 Kategorien aus den Komponenten Körperfunktionen und -strukturen, Aktivitäten und Partizipation (siehe Tabelle 1).
In den Schweizer Rehabilitationskliniken werden aktuell sowohl der Erweiterte Barthel Index (EBI) sowie der Functional Independence Measure (FIM) als Instrumente zur standardisierten Erfassung der Funktionsfähigkeit des Patienten bei Klinikeintritt und -austritt eingesetzt. EBI und FIM erfassen das Ausmass der Abhängigkeit von fremder Hilfe und dienen der Dokumentation des Pflegeaufwands von alltagsbeeinträchtigten Patienten [16, 17]. Neben EBI und FIM kommen in der alltäglichen Praxis der Leistungserbringer noch weitere klinische Assessmentinstrumente zur Dokumentation des Rehabilitationsfortschritts des Patienten zum Einsatz. Durch die Anwendung wissenschaftlich geprüfter „linking rules» können die Items dieser Instrumente sowie diejenigen von EBI und FIM mit den ihnen entsprechenden Kategorien aus der ICF gelinkt werden [18]. So wird identifiziert, welche ICF-Kategorien in diesen Instrumenten vorkommen und welche Items durch die gemeinsamen ICF-Kategorien vergleichbar sind.
EBI und FIM bilden die Abhängigkeit von Hilfsmittel oder Hilfspersonen bzw. die Änderung in der Abhängigkeit insbesondere bei schweren Fällen gut ab. Kliniker haben allerdings ihre Eignung für die Beschreibung der Funktionsfähigkeit von Personen mit weniger schweren Einschränkungen in Frage gestellt. Das ICF Generic-30 Set ist umfassender und deckt wichtige Aspekte der Funktionsfähigkeit, wie Energielevel, Schmerz, Schlaf und Alltagsaktivitäten ab [19]. Basierend auf dem ICF Generic-30 Set wurde ein klinisches Tool namens «ClinFIT» entwickelt [20]. Anders als bei FIM and EBI beruht die Beurteilungsskala von ClinFIT auf dem Ausmass des Problems und nicht alleine auf der Abhängigkeit, was bei weniger schweren Fällen nützlich sein kann. In Studien zeigte ClinFIT sich nützlich bei der Erfassung von Funktionsfähigkeit in ambulanter [19] sowie stationärer [21, 22] Rehabilitation wie auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten und bei Patienten mit unterschiedlichen Diagnosen [23]. Eine zielgerichtete, aussagefähige und transparente Wirkungsmessung von ambulanten und stationären Rehabilitationsleistungen im Kontext der Suva sollte deshalb auf dem Standard des ICF Generic-30 Sets aufbauen, um eine belastbare und umfassende Darstellung der Funktionsfähigkeit von Patienten zu gewährleisten. Voraussetzung für die Anwendung des ICF Generic-30 Sets für die Wirkungsmessung von Rehabilitationsleistungen ist die Operationalisierung der ICF-Kategorien durch entsprechende Scores.
ICF Code | Titel |
b130 | Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs |
b134 | Funktionen des Schlafes |
b152 | Emotionale Funktionen |
b280 | Schmerz |
b455 | Funktionen der kardiorespiratorischen Belastbarkeit |
b620 | Miktionsfunktionen |
b640 | Sexuelle Funktionen |
b710 | Funktionen der Gelenkbeweglichkeit |
b730 | Funktionen der Muskelkraft |
d230 | Die tägliche Routine durchführen |
d240 | Mit Stress und anderen psychischen Anforderungen umgehen |
d410 | Eine elementare Körperposition wechseln |
d415 | In einer Körperposition verbleiben |
d420 | Sicher verlagern |
d450 | Gehen |
d455 | Sich auf andere Weise fortbewegen |
d465 | Sich unter Verwendung von Geräten/Ausrüstung fortbewegen |
d470 | Transportmittel benutzen |
d510 | Sich waschen |
d520 | Seine Körperteile pflegen |
d530 | Die Toilette benutzen |
d540 | Sich kleiden |
d550 | Essen |
d570 | Auf seine Gesundheit achten |
d640 | Hausarbeiten erledigen |
d660 | Anderen helfen |
d710 | Elementare interpersonelle Aktivitäten |
d770 | Intime Beziehungen |
d850 | Bezahlte Tätikeiten |
d920 | Erholung und Freizeit |
Tabelle 1: Übersicht ICF-Generic-30 Set
Wie könnte berufliche Rehabilitation abgebildet werden?
Von der Suva unterstütze Rehabilitationsleistungen haben neben einer erfolgreichen medizinischen Rehabilitation insbesondere auch die erfolgreiche Rückkehr in den Arbeitsmarkt zum Ziel. Die berufliche Rehabilitation stellt eine zentrale Rehabilitationsleistung dar. Sie umfasst alle medizinischen, psychologischen, sozialen und berufsbezogenen Leistungen, welche das Ziel haben, die Arbeitsfähigkeit von verunfallten Personen wiederherzustellen und somit die Voraussetzung für eine Rückkehr an den angestammten oder einen angepassten Arbeitsplatz zu schaffen [24]. Sie ist das entscheidende Bindeglied zwischen medizinischer Rehabilitation und der Arbeitswelt und muss daher in der Wirkungsmessung von Rehabilitationsleistungen zwingend berücksichtigt werden.
Für die Messung der Wirkung einer beruflichen Rehabilitation ist sowohl die Erfassung der arbeitsbezogenen Funktionsfähigkeit als auch jene der arbeitsbezogenen Partizipation von zentraler Bedeutung. Die arbeitsbezogene Funktionsfähigkeit liefert einen generellen Eindruck zu arbeitsrelevanten Funktionseinschränkungen auf den Ebenen der Körperfunktionen, Körperstrukturen sowie Aktivitäten und Partizipation. Sie kann durch den Work Rehabilitation Questionnaire (WORQ) operationalisiert werden (https://www.myworq.org) [25-28]. Die arbeitsbezogene Partizipationsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit einer Person, die spezifischen Anforderungen (Arbeitsaktivitäten) ihres Jobs zu erfüllen. Sie kann durch ein Job Matching-Profil dargestellt werden, welche sich auf die Beschreibung der Tätigkeit (Anforderungsprofil) der Person bezieht [29].
Modellrelevante Komponenten zur Wirkungsmessung
Für das vorliegende Modell wurden nur Variablen berücksichtigt, welche für eine Wirkungsmessung im Kontext der Suva aussagekräftig sind. Die entsprechende Auswahl basiert auf aktueller wissenschaftlicher Evidenz [30, 31] und wurde mit erfahrenen Rehabilitationswissenschaftlern diskutiert.
Eingangsfaktoren
Um eine Veränderung im Sinne der Wirkung von Rehabilitationsleistungen erfassen zu können, bedarf es einer umfassenden und belastbaren Abbildung der Ausgangslage, welche der medizinischen, beruflichen und sozialen Situation des Patienten vor Beginn der entsprechenden Rehabilitationsepisode entspricht. Die Erhebung dieser Informationen kann sowohl vor Eintritt in die Rehabilitationsepisode (Planungs- und Koordinationsphase) als auch direkt bei Beginn der Rehabilitationsepisode erfolgen.
Die Eingangsfaktoren können in vier Gruppen untergliedert werden: medizinische Faktoren, berufliche Faktoren, soziale Faktoren und sonstige Faktoren. Bei den medizinischen Faktoren stellen die Gesundheitsstörungen, erfasst in Form von Indexkondition usw. Codes der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) [32], verletztes Körperteil, Anzahl verletzter Körperteile und verletze Körperteilgruppe, sowie weitere fallbezogene Morbidität(en) wirkungsrelevante Variablen dar. Eine fundierte Erfassung der zugrundeliegenden Gesundheitsstörung und Indexstellung für die Rehabilitation ist essentiell. Darüber hinaus bedarf es einer Erfassung der Funktionsfähigkeit wie oben beschrieben. Es wird mittelfristig eine Erfassung basierend auf dem ICF Generic-30 Set vorgeschlagen, um eine valide und umfassende Abbildung von Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Die Erfassung der medizinischen bzw. Wiedereingliederungsvorgeschichte (z. B. vorhergehende Rehabilitationsepisoden), die erbrachten medizinischen Vorleistungen (zum Beispiel Operation in einem Akutspital usw.) und bestehende Komorbiditäten sind ebenfalls relevante medizinische Eingangsfaktoren.
Die für die Erfassung und Beurteilung der Wirkung der beruflichen Rehabilitation relevanten Variablen sind unter den beruflichen Faktoren zu finden. Empfohlen wird die Operationalisierung der Variablen durch den WORQ und ein Job Matching-Tool [29]. Zu den beruflichen Faktoren gehören auch die Variablen Arbeitsfähigkeit in Prozent, Bezug von IV-Leistungen und bestehender Arbeitsvertrag, welche zentrale Prädiktoren für eine erfolgreiche Rückkehr in den Arbeitsmarkt darstellen.
Soziale Faktoren umfassen einerseits die standardisierten soziodemografischen Variablen wie Alter, Geschlecht, Wohnort, Bildung und Wohn-/Lebenssituation und andererseits psychologische Ressourcen der Person sowie die Kenntnis der Sprache in einem Arbeitsraum. Psychologische Ressourcen beinhalten beispielsweise die Selbstwirksamkeit oder die Zielorientierung eines Patienten. Wichtig ist, dass den psychologischen Ressourcen eine geeignete Operationalisierung zu Grunde liegt.
Voraussetzung für eine zielgerichtete Zuweisung der Patienten zu Rehabilitationsleistungen ist eine sorgfältige Abklärung der Rehabilitationsindikatoren basierend auf der Feststellung der Rehabilitationsbedürftigkeit (wenn die Teilhabe an der Gesellschaft durch einen gesundheitlichen Auslöser gefährdet oder schon eingeschränkt ist), der Rehabilitationsfähigkeit (die Fähigkeit im Rahmen der körperlichen und psychischen Verfassung des Patienten die therapeutischen Leistungen wahrnehmen zu können und zu wollen), der Rehabilitationsprognose sowie der Rehabilitationszielsetzung [33]. Es wird vorgeschlagen, die Abklärung der Rehabilitationsbedürftigkeit und der Rehabilitationsfähigkeit mit der Ausprägung «erfolgt/nicht erfolgt» in die Wirkungsmessung als sonstige Eingangsfaktoren aufzunehmen. Die Rehabilitationsprognose kann unter anderem durch die Dauer der Arbeitsunfähigkeit oder die Veränderung der Arbeitsfähigkeit operationalisiert werden. Die Rehabilitationsziele sollten sowohl in Form der Abklärung «erfolgt/nicht erfolgt», als auch in Form von konkret genannten Zielen basierend auf nationalen Standards, z. B. ANQ-Partizipationsziele, in die Wirkungsmessung einfliessen. Die Erfassung der Zuweiser (z. B. Akutspital oder andere Rehabilitationsklinik), welche Hinweise für die Steuerung von Zuweisungsprozessen liefern soll, ist für die Wirkungsmessung ebenfalls relevant.
Input
Als wirkungsrelevante Variablen auf der Ebene des Inputs können alle Variablen gesehen werden, die in direktem Zusammenhang mit der Leistungserbringung stehen und somit die erbrachten therapeutischen und diagnostischen Leistungen abbilden. Diese können basierend auf der Schweizerischen Operationsklassifikation (CHOP) bzw. Interventions-Codes1 oder Informationen zu vereinbarten Zusatzleistungen erfasst werden. Darüber hinaus sollten Informationen zum Leistungserbringer erfasst werden (Klinikname, Typ der Klinik/ Spezialisierung, Kanton, ambulant/stationär und Leistungsauftrag Kanton).
Output
Die Variablen des Outputs beziehen sich auf die Veränderung medizinischer Faktoren (Gesundheitsstörung & Funktionsfähigkeit) sowie beruflicher Faktoren (arbeitsbezogene Funktions- und Partizipationsfähigkeit) direkt nach Leistungserbringung. Um die Vergleichbarkeit der Ausgangssituation mit dem Stand direkt zum Ende der Rehabilitationsepisode zu gewährleisten, muss hierbei auf die gleichen Variablen sowie deren einheitliche Operationalisierung zurückgegriffen werden. Mit der Variable «weitere fallbezogene Morbidität(en)» können mögliche Symptomausweitungen und die dauerhafte Präsenz von Erkrankungen, wie zum Beispiel ein generalisiertes Schmerzsyndrom, abgebildet werden.
Outcome
Die Variablen der Wirkungsebene Outcome stehen indirekt in Bezug zur Rehabilitationsleistung und werden zu einem späteren Zeitpunkt nach Abschluss der Rehabilitationsepisode erhoben. Hierunter fallen die Kosten der erbrachten Leistungen. In diesem Zusammenhang ist auch die Erfassung der Dauer der Rehabilitationsepisode von Bedeutung. Darüber hinaus sind im Kontext der Suva noch weitere ökonomische Variablen, wie Taggeld, Invalidenrente, Integritätsentschädigung und Hilflosenentschädigung relevant. Da Rückkehr in den Arbeitsmarkt eine zentrale Zielsetzung im Rahmen von Suva-Rehabilitationsleistungen darstellt, sollte die arbeitsbezogene Funktions- und Partizipationsfähigkeit ebenfalls als Outcome erfasst werden. Während die Erhebung dieser Variablen am Ende der Rehabilitation den direkten Stand nach erbrachter Rehabilitationsleistung beschreibt, zeigt die Erfassung derselben Variablen beim Outcome auf, wo nach dem Abschluss der Rehabilitationsleistung die arbeitsbezogene Funktions- und Teilhabefähigkeit des Patienten steht. Dies kann wichtige Hinweise für die Initiierung von Nachsorgeinterventionen, wie zum Beispiel Job-Coaching-Massnahmen liefern. Weiter sind die prozentuale Arbeitsfähigkeit sowie die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage zu berücksichtigen. Zu beachten ist, dass eine Verschlechterung in den beruflichen Outcomes nicht zwingend auf die erbrachten Rehabilitationsleistungen zurückzuführen ist, vielmehr kann sie auch von Faktoren, die nicht durch den Leistungserbringer kontrollierbar sind (z. B. familiäre Probleme), beeinflusst werden. Trotzdem geben diese als Outcome erfassten Variablen einen wichtigen Hinweis auf die Nachhaltigkeit der Rehabilitation.
Impact
Impact beschreibt die langfristigen Effekte auf der Mikro-, Meso- und Makro-Ebene. Variablen der Ebene Impact haben nur einen indirekten Bezug zur Rehabilitationsleistung und sind somit nicht direkt auf die durchgeführte Rehabilitation zurückzuführen. Auf dieser Ebene sollten als Minimum die Variablen auf der Mikro-Ebene, wie z. B. Lebensqualität oder dauerhafte Rückkehr zur Arbeit, erfasst werden, da eine fehlende Rückkehr zur Arbeit oder eine nicht nachhaltige Arbeitsintegration wiederum einen Einfluss auf die Gesundheit haben kann [34-37].
Eine weitere, häufig genannte wirkungsrelevante Variable im Kontext der Rehabilitation ist der Grad der Erreichung von Rehabilitationszielen, sowohl aus der klinischen als auch aus der Patientenperspektive. Eine valide, klinisch verwendbare und unabhängige Operationalisierung der Zielerreichung muss noch entwickelt werden.
Abschliessende Bemerkung
Um eine zielgerichtete Messung der Wirkung von Rehabilitationsleistung zu gewährleisten, wird die Integration von Informationen zur Veränderung der Funktionsfähigkeit mit dem ICF Generic-30 Set/ClinFIT empfohlen. Diese Empfehlung wurde in einem Pilotprojekt umgesetzt [38], das von der Suva in Zusammenarbeit mit der Universität Luzern in den Suva-Kliniken Rehaklinik Bellikon und Clinique romande de réadaptation Sion als Machbarkeitsprojekt durchgeführt wurde.
Zur Sicherstellung einer validen und umfassenden Abbildung der Wirkung der beruflichen Rehabilitation, welche einen grossen Anteil an den erbrachten Rehabilitationsleistungen der Suva darstellt, wird die Implementierung des WORQ Fragebogens empfohlen. WORQ wurde als Ergänzung zur Datenerhebung mit dem ICF Generic-30 Set/ClinFIT auch im erwähnten Pilotprojekt verwendet. Die dadurch mögliche Berücksichtigung der arbeitsbezogenen Funktionsfähigkeit hat eine grosse Auswirkung auf die Aussagefähigkeit der Wirkungsmessung von Rehabilitationsleistungen im Kontext der Suva. Darüber hinaus wird für die Berücksichtigung der arbeitsbezogenen Partizipationsfähigkeit die Verwendung eines Job Matching-Tools empfohlen.
Die Wirkungsmessung von Rehabilitationsleistungen sollte sich idealerweise an einem Rehabilitationsepisoden-Modell orientieren und nicht ausschließlich in Bezug zum Unfallzeitpunkt gesetzt werden.
Der vorgeschlagene Ansatz erlaubt eine zielgerichtete, aussagefähige und transparente Wirkungsmessung von ambulanten und stationären Rehabilitationsleistungen und ist die Basis für eine kontinuierliche Verbesserung von Rehabilitationsleistungen der Suva-Versicherten.
Korrespondenzadresse
Professor Gerold Stucki
Fakultät Gesundheitswissenschaften und Medizin, Universität Luzern
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