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28. Juni 2024 | von Maria Sibylle Schliemann

Vorsorgeprogramm Früherkennung von hellem Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung

Die Arbeitsmedizin der Suva hat vor einem Jahr ein neues Vorsorgeprogramm zur Früherkennung von hellem Hautkrebs aufgelegt und begleitend evaluiert. Personen in den relevanten Outdoor-Berufen nahmen die Vorsorge sehr gut an. Wir berichten erste Ergebnisse.

Inhalt

      Sibylle Schliemann, Christine Marty, Hanspeter Rast, Manuel Rodriguez, Roland Krischek, Anja Zyska Cherix 

      Abteilung Arbeitsmedizin

      Einleitung

      In der Ausgabe des Suva Medical vom 15.11.2022 wurde das neue arbeitsmedizinische Vorsorgekonzept zur Prävention von arbeitsbedingtem Hautkrebs durch natürliche Ultraviolett- (UV-)Strahlung vorgestellt. Inzwischen liegen erste Ergebnisse vor.  

      Vorgehen

      Im Pilotprojekt 2 wurden 2023 erstmals 3700 von der Suva versicherte Betriebe aus den Branchen Gebäudehülle und Gartenbau der arbeitsmedizinischen Vorsorge unterstellt. Diese Betriebe beschäftigen zusammen etwa 28 000 Vollzeitäquivalente. Viele der Beschäftigten arbeiten regelmässig im Freien und können daher als «Outdoor Worker» bezeichnet werden. Bedingt durch die jahrelange intensive UV-Strahlung im Beruf haben sie ein deutlich erhöhtes Risiko, an hellem Hautkrebs zu erkranken. Die arbeitsmedizinische Vorsorge- untersuchung ist speziell auf diese Arbeitnehmenden ausgerichtet und ergänzt die vielfältigen Massnahmen in der Primärprävention der Suva zum Schutz vor natürlicher UV-Strahlung am Arbeitsplatz. 

      Vorsorgeuntersuchung: Konzept und zugrunde liegende Überlegungen

      Um die Früherkennung von beruflich bedingtem hellem Hautkrebs und dessen Vorstufen zu verbessern, zielt die Vorsorgeuntersuchung auf Beschäftigte ab, die vermutlich ein hohes Potenzial für die Sekundärprävention aufweisen: 55-jährige «Outdoor Worker» mit starker UV-Belastung. Aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit im Freien tragen diese bereits ein erhöhtes Hautkrebsrisiko und profitieren von einer Früherkennung, da viele noch bis zum Pensionsalter als «Outdoor Worker» tätig sein werden. Deshalb ist eine individuelle Beratung zu Schutzmassnahmen ein Bestandteil dieser Vorsorgeuntersuchung.  

      Ablauf der Vorsorge

      Um die in Frage kommenden «Outdoor Worker» zu erreichen, erhalten die Betriebe zunächst eine Information über die neue Vorsorgeuntersuchung und die Unterstellung des Betriebs für diese Pflichtuntersuchungen. Anschliessend erhalten die Betriebe jährlich eine Aufforderung der Suva, alle 55-jährigen Beschäftigten zu melden. Die Suva schickt allen gemeldeten Arbeitnehmenden einen individuellen Fragebogen, in dem sie zur Art und Dauer ihrer Tätigkeit Auskunft geben. Diese Angaben ermöglichen es, basierend auf einer physikalischen Formel, die individuelle arbeitsbedingte UV-Dosis einer befragten Person zu berechnen. Liegt diese um mindestens 40 Prozent über der Standardexposition einer gleichaltrigen Person, die in Innenräumen arbeitet, ist das Hautkrebsrisiko so stark erhöht, dass die oder der Betroffene zu einer dermatologischen Untersuchung überwiesen wird. Diese Kriterien entsprechen ausserdem den arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung eines berufsbedingten Hautkrebses als Berufskrankheit durch UV-Licht.  

      Dermatologische Untersuchung

      Ein hoher Anteil von etwa 60 Prozent der gemeldeten 55-jährigen Dachdeckerinnen und Dachdecker, Gärtnerinnen und Gärtner sowie Landschaftsgärtnerinnen und -gärtner erfüllte 2023 das Kriterium für eine dermatologische Untersuchung. Diese Arbeitnehmenden wurden für eine dermatologische Untersuchung in einem der elf schweizweit beteiligten dermatologischen Zentren angemeldet. Mit wenigen Ausnahmen handelte es sich dabei um männliche Versicherte. Zwar sind auch Frauen in diesen Berufsfeldern tätig, diese weisen aber im Alter von 55 Jahren offenbar geringere berufliche UV-Dosen auf. 

      Die Anmeldung zur Untersuchung erfolgt durch den Arbeitgeber. Die Resultate der dermatologischen Untersuchung werden mithilfe eines standardisierten Untersuchungs-bogens digital an die Suva übermittelt. Die Ärztinnen und Ärzte der Abteilung Arbeitsmedizin beurteilen nachfolgend, ob möglicherweise eine Berufskrankheit vorliegt, und nehmen Stellung zur weiteren Eignung im «Outdoor Beruf». 

      Bei der dermatologischen Untersuchung wird bevorzugt auf aktinische Keratosen (AK) und Morbus Bowen, die als Carcinomata in situ und Vorläufer von invasiven Plattenepithelkarzinomen (PEK) der Haut gelten, sowie auf Basalzellkarzinome, geachtet. Diese Pathologien werden vereinfacht zusammengefasst auch als «heller Hautkrebs» bezeichnet. Andere, nicht berufsbedingte pathologische Befunde werden ebenfalls dokumentiert und nachfolgend arbeitsmedizinisch beurteilt. Für das maligne Melanom, oft auch als «schwarzer Hautkrebs» bezeichnet, liegt bisher keine ausreichende epidemio- logische Evidenz vor, dass dieses durch chronische UV-Exposition verursacht wird. Hier sind insbesondere auch Expositionen in der Kindheit relevant. Daher können maligne Melanome nicht als Berufskrankheit anerkannt werden. Nur das Lentigo-maligna-Melanom als eine Sonderform kann in begründeten Einzelfällen eine Berufskrankheit darstellen, da es auf chronisch UV-geschädigter Haut auftritt. Liegt keine Berufskrankheit vor, wird die Behandlung pathologischer Befunde zu Lasten der Krankenversicherung der Betroffenen geleistet.  

      Arbeitsmedizinische Relevanz der Befunde

      Bei den bisher untersuchten 55-jährigen «Outdoor Workern» liegen in einem relevanten Prozentsatz frühe Formen des hellen Hautkrebses vor. Bei etwa jeder fünften untersuchten Person wurden aktinische Keratosen (AK) diagnostiziert (Stand nach Auswertung der ersten 150 Untersuchungen bei Redaktionsschluss). Davon hatten etwa die Hälfte bereits mehrfache AK, die überwiegend am Kopf und an den oberen Extremitäten lokalisiert waren. AK sind gut behandelbar, können unbehandelt jedoch in invasive Plattenepithelkarzinome übergehen. Es ist davon auszugehen, dass Personen mit mehrfachen AK oder mit grossflächigen UV-Schädigungen, das heisst Personen mit einer sogenannten Feldkanzerisierung (Abbildung 1), ein besonders hohes Risiko für invasive Tumoren aufweisen, die man verhindern möchte. Bisher wurden im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen keine invasiven Plattenepithelkarzinome festgestellt. Hingegen wurden vereinzelt Basalzellkarzinome diagnostiziert (Abbildung 2). Letztere können unbehandelt lokal destruktiv wachsen und damit zu Entstellungen führen.  

      Multiple aktinische Keratosen an der Kopfhaut
      Abbildung 1: Multiple aktinische Keratosen an der Kopfhaut
      Basalzellkarzinom an der Wange
      Abbildung 2: Basalzellkarzinom an der Wange

      Aufgrund der administrativen Prozesse und Wartezeiten bei der Anmeldung in den beteiligten dermatologischen Kliniken konnten bis dato noch nicht alle der 2023 für die dermatologische Untersuchung qualifizierten Beschäftigten untersucht werden. Eine endgültige Auswertung dieses ersten Jahrgangs im Projekt ist daher noch nicht möglich und die vorgestellten Zahlen müssen als vorläufig betrachtet werden.  

      Bei den Versicherten mit AK und Basalzellkarzinomen wurde im Rahmen der Schadens-abklärung das Vorliegen einer Berufskrankheit geprüft und in der Mehrzahl der Fälle anerkannt. In diesen Fällen übernimmt die Suva (bzw. der betroffene Unfallversicherer) die Heilkosten und entsprechende weitere dermatologische Kontrollen. Deren Ziel ist es, das Neuauftreten weiterer Tumoren frühzeitig zu erkennen und durch eine Behandlung der Entwicklung invasiver Hauttumoren vorzubeugen. Zu den modernen Behandlungsmethoden zählen medikamentöse Verfahren und die photodynamische Therapie, bedarfsweise aber auch die operative Entfernung von Tumoren. Vor allem stellt der bestmögliche UV-Schutz in Beruf und Freizeit nicht nur eine Massnahme der Primärprävention, sondern in diesen Fällen auch der wichtigen Sekundärprävention dar. Oft weisen die individuellen UV-Schutz- massnahmen noch Optimierungspotenzial auf. Die Arbeitsmedizin der Suva stellt die weitere Eignung nicht nur zum Zeitpunkt der Anerkennung fest, sondern beurteilt diese bei fortgesetzter «Outdoor Tätigkeit» im weiteren Verlauf immer wieder aufs Neue. Bei fortgeschrittenen, invasiven Hautkrebserkrankungen kann die Eignung für eine «Outdoor Tätigkeit» in Einzelfällen versagt werden. Derartige Fallkonstellationen sind im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge bisher jedoch nicht aufgetreten. Erfahrungen aus Deutschland nach Anerkennung einer Berufskrankheit «Hautkrebs durch natürliches UV-Licht», entsprechend Berufskrankheiten-Liste Nr. 5103, weisen darauf hin, dass es gerade bei älteren «Outdoor Workern» häufig nach Jahren zu einem Fortschreiten der Berufskrankheitsfolgen kommt, auch wenn zum Anerkennungszeitpunkt häufig «nur» aktinische Keratosen vorlagen.  

      Ausblick

      Seit März 2024 werden dieselben Betriebe erneut zur Meldung der diesjährigen 55-Jährigen für die Vorsorge aufgefordert. Angesichts der im ersten Durchlauf der Vorsorgeuntersuchung diagnostizierten UV-bedingten Hauttumoren bestätigt sich im gewählten Zielkollektiv ein hohes Potenzial für die Sekundärprävention. Jedoch ist der Aufwand angesichts des Mengengerüsts der UV-exponierten Beschäftigten hoch. Die Präventionsanstrengungen scheinen gerechtfertigt, wenn sie dazu beitragen, fortgeschrittene invasive, beruflich bedingte Hautkrebserkrankungen zu verhindern. Nach vollständiger Auswertung des Pilotprojektes 2 und Evaluation der Prozesse wird darüber entschieden, ob das Vorsorgeprogramm auf andere Berufsfelder ausgeweitet wird. 

      Korrespondenzadresse

      PD Dr. Maria Sibylle Schliemann
      Suva Abteilung Arbeitsmedizin

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