Die Sound-Nomaden der Arbeitsmedizin
Das ganze Jahr touren drei Audiomobil-Teams durch die Schweiz, um Gehöruntersuchungen in Betrieben durchzuführen. Wir haben das Team Audiomobil1 auf ihrer Tour begleitet.
Inhalt
Die Tage des Audiomobil-Teams starten früh. So auch, als wir das Audiomobil in Stans besuchen. Viele Betriebe, beispielsweise Gärtnereien, Baugeschäfte oder Forstbetriebe möchten ihre Mitarbeitenden zu Randstunden vorbeischicken, damit sie ihre Arbeit nicht unterbrechen müssen. Roger Ganziani und sein Team versuchen dies möglich zu machen: «Wir möchten hier flexibel sein. Unsere Kunden stehen im Zentrum und folglich geben wir unser Bestes, um passende Termine anzubieten. Auch wenn das bedeutet, dass unser Tag früh startet.»
Roger Ganziani ist Teamleiter auf dem Audiomobil 1. Mit ihm unterwegs sind normalerweise Werner Niederberger, Juan Facal und Walter Mariani. Doch bei unserem Besuch treffen wir nur Werner Niederberger an. Die anderen beiden fallen ausbildungs- beziehungsweise ferienbedingt aus. Dafür ist Antonio Pepe an Board. In der Regel unterstützt er die drei Audiomobile aus dem Innendienst und arbeitet im Team Planung und Support. Fällt mal jemand aus, springt er sehr gerne ein: «Ich freue mich immer, rauszukommen. Bevor ich in den Innendienst gewechselt habe, war ich lange im Aussendienst auf dem Audiomobil tätig.»
Antonio Pepe zeigt uns seinen Arbeitsplatz. Er übernimmt an diesem Tag mit Werner Niederberger die Untersuchungen. Dafür wurden im Audiomobil zwei Untersuchungszimmer verbaut. Auf kleinstem Raum gibt es hier eine Kabine für den Hörtest sowie einen Beratungsplatz, an dem das Vorgespräch und die Besprechung der Resultate stattfinden. Währenddessen sitzt Roger Ganziani an seinem Arbeitsplatz in der Fahrkabine. Dort organisiert er die nächsten Einsätze, telefoniert Unternehmen ab und stellt Zeitpläne auf.
Der Austausch mit Menschen im Zentrum
In der Regel kommen die Versicherten in kleinen Gruppen zur Untersuchung. Sie sind entweder vom Betrieb, bei dem das Audiomobil steht, oder von Betrieben der Nachbarschaft. Für einen Untersuch werden rund 15 Minuten benötigt. Nebst der eigentlichen Gehöruntersuchung steht die Gehörschutzmittelberatung sowie die Prävention im Zentrum der Untersuchung. Wir begleiten Werner Niederberger bei der Untersuchung eines jungen Mannes. Nach einem kurzen Vorgespräch stellt sich heraus, dass er vor zwei Jahren den Betrieb gewechselt hat und schon einige Jahre nicht mehr im Audiomobil zur Kontrolle war. Zuerst lässt sich Werner Niederberger zeigen, welcher Gehörschutz vom Versicherten benutzt wird. Danach geht es zum Test. Es stellt sich heraus, dass das Gehör die letzten Jahre schlechter geworden ist. Um für die Triage mit dem Ohrenarzt möglichst aussagekräftige Daten vorlegen zu können, fotografiert Werner noch das Trommelfell. Diese Aufnahme erstellt er mit einem Otoskop. Alle Daten werden direkt in den Hauptsitz gesendet, wo sie weiter analysiert werden. Bei Auffälligkeiten folgt ein Aufgebot für weitere Untersuchungen.
Werner Niederberger bespricht das Resultat mit dem jungen Mann und gibt ihm Tipps und neue Gehörschutzmittel mit auf den Weg. Dieser Austausch mit den Menschen ist für ihn das Wertvollste an seinem Job: «Diese Tätigkeit ist für mich super, mir gefällt es, Menschen sinnvoll zu beraten und ihnen zu helfen.
Die Zusammenarbeit mit Menschen und der Anreiz zu helfen, sind auch für die anderen Teammitglieder das Schönste, an der Arbeit, erklärt Roger Ganziani: «Die meisten Leute kommen interessiert. Und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl lassen sich auch die kritischen Kundinnen und Kunden abholen. Spätestens beim Besprechen des Reintonaudiogramms, wenn sich das Resultat gegenüber der letzten Untersuchung verschlechtert hat, spürt man sehr genau, dass sie nachdenklich werden und die Erkenntnis erlangen, dass sie ihr Gehör besser schützen müssen.»
Ausserdem gebe es auch berührende Begegnungen. So war einmal ein junger Mann bei ihm, der nicht gesund aussah. Im Gespräch stellte sich heraus, dass er auf eine Spenderniere wartete. «Er war noch in der Lehrzeit, hat seine Ausbildung durchgezogen und nach vorne geschaut. Das hat mich beeindruckt und meine Alltagssorgen in andere Relationen gestellt.»
Ein eingespieltes Team
Inzwischen ist es nach 17 Uhr, soeben hat die letzte Person das Audiomobil verlassen. Doch noch ist nicht Feierabend - die Rückfahrt steht noch an. Roger, Werner und auch Antonio sind gern unterwegs, aber genauso gerne auch zuhause. Alle drei haben Kinder, die Teenager oder erwachsen sind. Dies ist kein Zufall, so Werner: «Mit kleinen Kindern ist dieser Job sehr herausfordernd, da du viel weg bist. Jetzt, da die Kinder älter sind, ist es einfacher, unterwegs zu sein.»
Reist man gemeinsam durchs ganze Land, ist auch Teamarbeit ein wichtiger Pfeiler des Alltags. Bei Anreisen über 75 Minuten wird vor Ort übernachtet. Ansonsten fahren sie gemeinsam hin und zurück. Entsprechend kennen sich die Teammitglieder gut und die Abläufe sind eingespielt. Und das ist auch wichtig, sonst würden sie die rund 8000 Untersuchungen pro Jahr kaum schaffen.
Vor und hinter den Kulissen
Zurück nach Luzern. Denn die Zusammenarbeit geht weit über das Audiomobil 1 hinweg. So touren insgesamt drei Audiomobile durch die Schweiz. Unterstützt werden sie durch die Teams «Planung und Support» sowie «Auswertung», welche beide in Luzern am Hauptsitz tätig sind. Verantwortlich für den Bereich Gehörschaden-Vorsorge ist Marco Schmid. Ihm ist bewusst, dass der Alltag der Sound-Nomaden sich von anderen Jobs unterscheidet: «Sind die Audiomobile auf Tour, bedeutet das für die Mitarbeitenden lange Arbeitstage. Da gilt es für alle, flexibel und zuverlässig zu sein, aber auch, sich gegenseitig zu unterstützen. Und dies sowohl vor als auch hinter den Kulissen. Einer für alle – alle für einen! Unsere Teams leben diesen Teamspirit.»
Der Nomade
Werner Niederberger hat schon früh das Nomadenleben für sich entdeckt. Mit 18 wanderte er für ein Jahr nach Costa Rica aus und arbeitete mit Flüchtlingen aus El Salvador. Seither zieht es ihn beinahe jedes Jahr in das Land in Mittelamerika. Seine Spanischkenntnisse wendet er nun auch im Audiomobil an, im Austausch sowohl mit Spanisch, als auch mit Portugiesisch sprechenden Arbeitnehmenden. Er liebt die Abwechslung, das Reisen und auch das Hotelleben. Deshalb ist die Arbeit im Audiomobil die perfekte Mischung für ihn.
Der Einwechselspieler
Antonio Pepe hat 1999 im Audiomobil angefangen und wechselte 2005 in den Innendienst. Ungefähr sechs bis acht Monate vor dem Untersuch kontaktiert er die Unternehmen, deren Mitarbeitenden lärmexponiert sind und macht den groben Routenplan für die Audiomobile. Wenn jemand ausfällt, springt er gerne auch im Audiomobil ein. Dort geniesst er den direkten Kontakt mit den Kundinnen und Kunden. Obwohl es lange Tage im Audiomobil sind, liebt er die Arbeit auf dem Mobil, denn die Zeit vergeht wie im Fluge. Sein Lieblingsstandort ist das Tessin, dort kann er seine Italienischkenntnisse anwenden.
Der Teamleiter
Roger Ganziani arbeitet seit zehn Jahren im Team der Gehörschaden-Vorsorge. Zuvor war er in einer Druckerei tätig und weiss daher, was ein lärmexponierter Arbeitsplatz bedeutet. Diese Erfahrung kann er bei seiner Arbeit im Audiomobil einbringen. Die Arbeit mit Menschen bereitet ihm sehr viel Freude und als Präventionsbotschafter für die Suva unterwegs zu sein macht ihn stolz. «Bei diesem Job lernt man die Schweiz so richtig kennen; ich habe neue Orte entdeckt und diese Erfahrung dann bei Ausflügen mit meiner Familie auch wieder einfliessen lassen.» Als Ausgleich zur Arbeit geht Roger regelmässig am Abend joggen, um die Batterien aufzuladen.