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Ein neues Leben dank Helm

Im März entkam Heinz Infanger auf dem Rennvelo bei einer Kollision mit einem Auto nur knapp dem Tod. Zu Velohelmen hat er einen Bezug wie wohl kein Zweiter.

Inhalt

      Versucht sich Heinz Infanger an den 22. März 2023 zu erinnern, klafft eine Lücke von mehreren Stunden. «Zum Glück», sagt er. «Sonst könnte ich über meinen schweren Rennvelounfall wohl nicht so unverkrampft reden.» 

       

      Heinz Infanger

      Ein zweites Leben

      Seit 35 Jahren fährt Heinz Rennvelo, stets mit Um- und Vorsicht. Stürze? Ja. Aber nie mit gravierenden Folgen. Bis zu diesem Mittwoch im März, als er von Sattel nach Goldau runterfährt. Auf dieser ihm bekannten Strecke liegt der unübersichtliche Chilerank, unter Velofahrern auch «Killerrank» genannt. Offenbar fährt er dort nah an der Mittelline. So macht es auch die Autofahrerin, die ihm entgegenkommt – das weiss Heinz aus den Polizeirapporten. «Ohne Velohelm hätte ich diese Kollision nicht überlebt», bilanziert er rückblickend. Denn Heinz prallte mit dem Kopf frontal in die Windschutzscheibe. Der 22. März sei wie ein Geburtstag gewesen, erklärt er. «An diesem Mittwoch habe ich ein zweites Leben geschenkt bekommen.» 

      Heinz erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma, komplexe Frakturen im Gesicht. Sein Auge ist wegen des gebrochenen Gesichtsknochens verschoben, seine Oberlippe gerissen, Rippen gebrochen, das Innenband am linken Knie lädiert. «Die Ärzte im Kantonsspital Luzern sagten mir, ich würde mindestens ein halbes Jahr ausfallen». Doch bereits ab Mitte Mai nimmt der 55-jährige Urner seine Arbeit im Team Support Präventionsberatung probehalber wieder auf. Per Ende Mai gar zu 50 Prozent. Wie geht das? Viele Faktoren spielten mit: Einerseits eine Portion Glück, körperliche Fitness und ein gesunder Lebensstil. Andererseits eine grosse Unterstützung durch sein privates Umfeld. «Ganz wichtig war auch mein Team und mein Chef Marcel Thommen. Sie haben sich vorbildlich verhalten und immer pragmatisch nach Lösungen gesucht. Das habe ich enorm geschätzt!»

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      Im Büro drei Gänge runtergeschaltet

      Spricht man Marcel Thommen auf die Reintegration an, steht für ihn vor allem eins im Zentrum: «Kommt jemand nach einem solch schweren Unfall zurück an den Arbeitsplatz, soll die Person ohne Druck ausprobieren können, was gerade jetzt möglich ist. Es war mir und dem Team ein grosses Anliegen, dass Heinz «bei null» starten konnte, ohne Deadlines und Hektik. Möglich war die vorbildliche, schrittweise Reintegration von Heinz nur dank des enormen Einsatzes des gesamten Teams.» 

      Vielleicht das Wichtigste war Heinz’ Einstellung: «Offenbar habe ich auf dieser Erde noch eine Aufgabe zu lösen. Meinen Unfall konnte ich akzeptieren und all meine Energie ins Gesundwerden stecken», erzählt er. Das SchädelHirn-Trauma sei noch unter Beobachtung und die linke Gesichtshälfte ein wenig taub, wie nach der Spritze beim Zahnarzt. «Ob das Gefühl in der Wange zurückkommt, ist noch unklar. Sonst geht es mir sehr gut».

      200 000 Velohelme gekauft

      Heinz absolvierte eine Spengler- und eine KV-Lehre. Dank seiner Weiterbildung zum Einkäufer kam er im Jahr 2001 zur Suva. «Prävention liegt mir seit eh und je am Herzen», sagt er. So kaufte er für die Suva nicht nur Präventionsartikel ein – in über zehn Jahren auch gut 200 000 Helme. Er sensibilisierte ausserdem Menschen auf die Gefahren mit Zweirädern: Zum Beispiel an diversen Slow-ups in der ganzen Schweiz. Oder als Protagonist in der Kindersendung «Murmi» auf sieben Lokalfernsehstationen. Und zusätzlich privat in seinem Umfeld. Als sein Sohn mit dem Velofahren begann, nahm er ihn als Model für ein Merkblatt zum Thema «Velohelm richtig tragen». Den Flyer streute er auch gleich im eigenen Quartier. Dass sein eigener Velohelm einmal so zentral für ihn sein würde, war ihm damals nicht bewusst.

      Keine Wut - aber Dankbarkeit

      «Nach dem Unfall brauchte ich viel Zeit für mich selbst», blickt Heinz zurück. Er habe die Stille gesucht. Innegehalten. Sich gefragt, was für ihn wirklich wichtig ist. «Wir ordnen uns heutzutage so vielen Zwängen unter und entfernen uns dabei von uns selbst», bilanziert Heinz. Nun ist ihm klar geworden, was für ihn wirklich wichtig ist im Leben: Ein soziales Umfeld, mit geliebten Menschen eine gute Zeit verbringen sowie die Möglichkeit, die Natur zu geniessen. «Weniger Wichtiges nutze ich heute weniger, dafür aber bewusst. Social Media zum Beispiel. Oder Fernsehen.» Am 9. Mai besuchte Heinz den Unfallort. Ein bisschen weg von seiner Partnerin und deren Tochter stand er lange auf dem Trottoir am Chilerank und horchte in sich hinein. «Da war keine Wut, kein Hadern, keine Schuldfrage», erinnert er sich. «Vielmehr eine tiefe Dankbarkeit, weiterleben und heute hier stehen zu dürfen – auch dank meinem Velohelm.» 

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