Interview zum Thema sichere Instandhaltung bei der Post
Weil die Gefahren bei Instandhaltungsarbeiten oft unterschätzt werden, hat die Suva eine Präventionskampagne lanciert. Lesen Sie hier das Interview mit Rolf Piana, Leiter Instandhaltung bei der Briefsortierung. Er erklärt, wie die Post das Programm umgesetzt hat und so die Zahl der Unfälle reduzieren konnte.
Inhalt
Kurz und bündig
Die Bedrohungen für Mitarbeitende in der Instandhaltung reichen von Abstürzen über Stromschläge bis hin zu Explosionen. So sterben jedes Jahr mehrere Berufsleute, während sie Maschinen reparieren oder warten, und viele ziehen sich schwere Verletzungen zu oder werden invalid. Ein Schicksal, das Unternehmen ihren Mitarbeitenden ersparen möchten.
Dazu zählt auch die Schweizerische Post. Mit folgenden Massnahmen konnte sie die Unfallrate deutlich senken:
- Sicherheitsvorrichtungen an Absturzstellen
- Sicherung der internen Verkehrswege
- persönliche Vorhängeschlösser für alle Mitarbeitenden, um Maschinen vor dem Anlaufen zu sichern
- eine gute Instruktion und Persönliche Schutzausrüstungen
Die Post beweist: Unfallprävention wirkt
Weil sich sowohl Firmen als auch Fachkräfte oftmals nicht bewusst sind, wo die Gefahren bei der Instandhaltung und Wartung liegen, ist die Suva aktiv geworden. Im Rahmen der Schweizerischen Tagung für Arbeitssicherheit im Oktober 2011 hat sie die Kampagne «Sichere Instandhaltung» lanciert. Zu den ersten, die der Kampagne gefolgt sind, gehört die Post.
Interview mit Rolf Piana
Post Mail setzt die Kampagne seit November 2011 in ihrem Betrieb um. Rolf Piana, Leiter Instandhaltung bei der Briefsortierung, hat uns erklärt, welche Massnahmen das Unternehmen ergriffen hat und welche Erfolge es nach einem Jahr verzeichnen konnte.
Suva: Weshalb haben Sie sich entschieden, diese Kampagne der Suva umzusetzen?
Rolf Piana: Ein Grund war sicher, weil die Kampagne dazu anregt, sich hinzusetzen und einmal in aller Ruhe zu überlegen: Was machen wir täglich, das gefährlich werden könnte?
Wo sehen Sie die grössten Risiken für die Mitarbeitenden im Briefzentrum Härkingen?
In der Produktionshalle besteht die Gefahr, bei Arbeiten in der Höhe abzustürzen. Deshalb haben wie bei Podesten und Aufstiegen nachgerüstet. Jetzt können unsere Mitarbeitenden sicherer und erst noch effizienter arbeiten. Ebenfalls problematisch sind die Transportwege in der Halle, weil sie ziemlich eng sind. Wenn dort die Transportwagen mit den Paletten zirkulieren, besteht das Risiko, angefahren zu werden.
Welches sind heikle Punkte bei den Maschinen? Wo treten am ehesten Störungen auf?
Die meisten Störungen haben wir bei der Behälterfördertechnik. Jeden Tag laufen rund 120000 Briefbehälter auf Förderbändern durch die Halle. Wenn dort auch nur die Ecke eines Briefes herausschaut, kann es sein, dass der gesamte Förderablauf gestört wird. Dann dauert es keine fünf Minuten, und ein ganzer Bereich der Fördertechnik steht still. Die Störung muss dann so rasch wie möglich behoben werden. Der Zeitdruck in einer solchen Situation bedeutet eine zusätzliche Gefährdung für die Mitarbeitenden der Instandhaltung.
Welche Massnahmen haben Sie getroffen, um die Risiken bei solchen Störungen zu senken?
Es gibt eine interne Regelung für alle Mitarbeitenden in der Instandhaltung sowie eine spezielle Matrix für das Tragen der Persönlichen Schutzausrüstung. Aus der Matrix lässt sich leicht ablesen, für welche Arbeit man welche Ausrüstung tragen muss. Bei den Anlagen sind wir gleich vorgegangen: Es ist klar definiert, wer bei einer Anlage was, wann, wie machen muss, damit sicher und effizient gearbeitet werden kann.
Wie wird bei einer abgestellten Maschine sichergestellt, dass sie während Wartungsarbeiten nicht unerwartet anlaufen kann?
Bei uns besitzt jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter ein persönliches Vorhängeschloss, auf dem der Name aufgedruckt ist. Damit kann die abgeschaltete Maschine so gesichert werden, dass keine andere Person sie einschalten kann. Bei neuen Mitarbeitenden verbinden wir die Übergabe des persönlichen Schlosses mit einer Instruktion. Zusätzlich geben wir ein Merkblatt ab und erklären genau, worauf es ankommt.
Sie haben Ihren Mitarbeitenden auch die acht lebenswichtigen Regeln für die Instandhaltung von Maschinen und Anlagen kommuniziert. Wie sind Sie da vorgegangen?
Mit Unterstützung der Suva wurde eine Schulung durchgeführt. Diese ist bei der Belegschaft sehr gut angekommen. Es waren alle mit dabei, von den Mitarbeitenden, die einfache Arbeiten an den Maschinen verrichten, bis hin zum Teamleiter der Instandhaltung.
Wie anerkennen Sie gutes und sicheres Verhalten von Arbeitnehmenden?
Wenn ich durch den Betrieb gehe, erhalten die Mitarbeitenden eine Rückmeldung. Dasselbe machen auch die Teamverantwortlichen der Instandhaltung. Überdies erhalten jene, die sicher arbeiten, am Jahresende ein kleines Präsent – zum Beispiel ein Taschenmesser.
Wie können Einzelne aus Ihrem Betrieb Verbesserungsvorschläge anbringen?
Wir haben Briefkästen aufgestellt – schliesslich sind wir die Post. Falls etwas nicht in Ordnung ist, kann man sein Anliegen dort deponieren. Und wer nicht schreiben möchte, kann die Teamleitung direkt ansprechen. Jeden Monat haben wir eine Instandhaltungs-Sitzung, wo wir die verschiedenen Vorschläge und Verbesserungsmöglichkeiten besprechen. Wenn beispielsweise eine Maschine mit einem Schutzverdeck nachgerüstet werden soll, sorgen wir dafür, dass dies sofort und möglichst einfach umgesetzt wird.
Wie sieht es mit Beinaheunfällen aus? Sind sie in Ihrem Betrieb ein Thema?
Für Beinaheunfälle haben wir ein spezielles Tool. Damit kann man sowohl Beinaheunfälle als auch Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle erfassen. Wenn sich ein Zwischenfall ereignet, ist es wichtig, dass die Teamleitung dies sofort dokumentiert. Sonst gehen diese Informationen meist schnell vergessen.
Ein weiterer wichtiger Punkt unserer Präventionskampagne ist das Stopp-Sagen in einer kritischen Arbeitssituation. Wie verhalten sich hier Ihre Mitarbeitenden?
Wir haben unsere Fachkräfte aufgefordert, sobald es gefährlich wird, auch wirklich Stopp zu sagen und die Arbeit nicht weiterzuführen. Eine konkrete Situation hat sich vor etwa zwei Monaten abgespielt. Beim Warenausgang gab es ein Problem mit den Robotern. Ein Roboterarm hatte sich verklemmt, und dadurch kippte ein Wagen. Das war eine extrem gefährliche Situation, weil ein solcher Wagen 450 Kilo wiegt und jemanden hätte erschlagen können. Stopp sagen wird von der Geschäftsleitung gefördert, weil wir Unfälle um jeden Preis vermeiden wollen.
Was hat die Unfallprävention «Sichere Instandhaltung» dem Briefzentrum konkret gebracht? Wie lautet Ihr Fazit ein Jahr nach Kampagnenstart?
Noch vor zwölf Monaten rechneten wir mit jährlich 6,9 Arbeitsunfällen auf 100 Mitarbeitende. Das schien der Geschäftsleitung sehr viel. Das Ziel, das wir uns gesteckt haben, war eine Reduktion von 6,9 auf 3 Arbeitsunfälle pro Jahr. Bis November 2012 lagen wir bei 3,1. Das ist ein grosser Erfolg, der sich auch bei den Mitarbeitenden bemerkbar gemacht hat. Es hat ein Umdenken stattgefunden. Früher verstanden sie die Suva lediglich als Kontrollinstanz. Aber jetzt, wo die Suva bereits mehrmals in unserem Betrieb war, sehen die Leute, dass sie nicht nur kontrolliert, sondern auch zeigt, wie man sicherer arbeiten kann. Die Haltung gegenüber der Suva hat sich stark verändert. Auch deshalb hat sich die Kampagne zur Instandhaltung für uns gelohnt. Sie ist definitiv eine gute Sache.