1912–1918

Ein neues Wahrzeichen thront über der Stadt Luzern

Da stand es nun, das neue Hauptgebäude der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt. Vorerst war aber nicht an eine Eröffnung zu denken. Europa versank in den Wirren des Ersten Weltkrieges, und aus dem monumentalen Gebäude auf dem Fluhmatt-Sporn wurde zunächst ein Militärspital.

«Eine Zierde der Stadt. Ein Denkmal des eidgenössischen Brudersinns.» Stadtrat von Luzern, 1914

Gewollt war die Monumentalität des neuen Verwaltungsgebäudes. Luzern war seit der Gründung des Bundesstaates mehrfach von Bern übergangen worden, als Bundesinstitutionen ausserhalb der Hauptstadt angesiedelt wurden. Schmerzlich waren die Vergabe der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) und des Landesmuseums nach Zürich. Mit dem neuen, das Stadtbild prägenden Suva-Gebäude aber gelang es Luzern, sich als «Versicherungshauptstadt der Schweiz» zu etablieren.

Um den «eidgenössischen Brudersinn» zu demonstrieren, wurde der Standort auf einem Felssporn hoch über der Stadt gewählt. Die Suva wurde zu einem beliebten Sujet auf Postkarten.

Unfallversicherungsgebäude auf einer Postkarte von 1917
«Luzern – Seebrücke mit Unfallversicherungsgebäude» – Postkarte von 1917.

Luzern war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine boomende Stadt. 1913 zählte die Stadt bereits rund 45 000 Einwohner, entsprechend gross war das Buhlen um die Suva.

Ein eigentlicher Kampf um den Standort entbrannte zwischen den Quartiervereinen. Schliesslich setzte sich die Fluhmatt gegen das «Vögeligärtli», wo heute die Zentralbibliothek steht, durch.

Eine hochkarätige «Plankonkurrenz»

Ursprünglich hatte die Suva nicht die Absicht, einen städtebaulichen Akzent zu setzen. Man war «der Meinung, dass ein der Aufgabe und Zweckbestimmung entsprechendes, aber nicht luxuriöses oder palastähnliches Gebäude» genüge. Erst als die Planung reifte, erkannte man die Einmaligkeit der Gelegenheit. Schliesslich beteiligten sich dreissig Architekten aus der ganzen Schweiz an der «Plankonkurrenz».

So unterschiedlich sahen die Entwürfe für das neue Suva-Hauptgebäude aus

Die Suva und das Stadtbild – wie Luzern auch aussehen könnte

Das Siegerprojekt

Das Siegerprojekt in einer Ansicht von Südosten über dem Abbruch des Fluhmattfelsens.
Das Siegerprojekt in einer Ansicht von Südosten über dem Abbruch des Fluhmattfelsens. Der Lift wurde erst 1980 mit dem Bau des Löwen-Centers realisiert.
Die ursprüngliche Kuppelfigur auf dem Turmdach der Suva.
Liebevoll trägt sie Unfall und Unglück in gemeineidgenössischer Solidarität – die ursprüngliche Kuppelfigur auf dem Turmdach der Suva.

«Wahrzeichen» – der Titel des siegreichen Projektes der Gebrüder Pfister aus Zürich war Programm. Otto und Werner Pfister lehnten die Formensprache an den Stil der monumentalen Bundesbauten in Bern an – mit einer Kuppel, auf der bis in die Dreissigerjahre noch eine Statue prangte, und einem Verwaltungsratssaal, der sogar das Sitzungszimmer des Bundesrates in Bern überstrahlt.

Die Gebrüder Pfister hatten in Zürich bereits den St. Anna- und den Peterhof an der Bahnhofstrasse erbaut und waren mit dem Neubau der Kreditanstalt an der Bärengasse beauftragt. Der mächtige Turm- und Kuppelbau lehnte sich an das Hauptgebäude der Universität Zürich an. Dieses wurde 1914 fertiggestellt.

In seiner städtebaulichen Prominenz sollte es das Suva-Gebäude als Bundesanstalt mit der ETH Zürich aufnehmen.

Mitten im Krieg entsteht ein monumentales Bauwerk

Gebaut wurde das Suva-Hauptgebäude von Mai 1914 bis Dezember 1915 – eine beachtliche Leistung angesichts der «hemmenden Wirkung des europäischen Krieges». Umbaut wurden 38 700 Kubikmeter.

Trotz der einsetzenden Inflation und einer Reihe von Planänderungen hielt sich die Kostenüberschreitung in einem engen Rahmen. Sie betrug 45 429.08 Franken – 3,3 Prozent des Voranschlages von 1 361 897 Franken (rund 11 Millionen Franken in heutigem Geld).

Hilferufe aus Bern – aus der Suva wird ein Militärspital

Aufgrund der Kriegswirren wurde die Eröffnung immer wieder hinausgeschoben. Dafür kamen nun die Hilferufe aus Bern, insbesondere von der Armee. Das leerstehende Gebäude auf der Felskuppe der Fluhmatt sollte eine unverhoffte, humanitäre Nutzung erhalten. Es sollte eine «Armeesanitätsanstalt» für die Internierung von Kriegsverletzten aus den umliegenden Ländern werden.

Ein Schweizer Arzt passt einem französischen Soldaten eine Beinprothese an.
Ein Schweizer Arzt passt einem französischen Soldaten eine Beinprothese an. Im Hintergrund ein preussischer Soldat als Orthopädiemechaniker.

Stolze Helfer – Impressionen von Juli 1916 bis Oktober 1917

An einem Ostermontag wird die Suva in Luzern eröffnet

Programm-Flyer der Eröffnungsfeier
«Ohne grosses Gepränge», aber mit einer kleinen Feier für die Angestellten wurde der Betrieb aufgenommen.

Schliesslich war es der 1. April 1918, als die Suva mit ihrer offiziellen Arbeit begann, unspektakulär an einem Ostermontag. Auf eine öffentliche Feier wurde angesichts der Weltlage verzichtet. Nur die mittlerweile rund 200 Angestellten gedachten des historischen Moments – wenige Tage später an einer kleinen, aber munteren Feier im Hotel Monopol in Luzern.

Allen war bewusst: Jetzt erst begann die Arbeit, denn die Skepsis gegenüber der neuen Monopolanstalt war in der Öffentlichkeit allgegenwärtig.

Das Hotel Monopol in Luzern heute.
Das Hotel Monopol in Luzern heute.

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