Tim Ney und Tom Hofmann stehen in einem Munitionslager in Mitholz und sind in ein Gespräch vertieft.

Die Chemie stimmt

Inhalt

      Vor 77 Jahren kam es zu Explosionen im unterirdischen Munitionslager in Mitholz im Kandertal. In den eingestürzten Anlageteilen und im Schuttkegel vor der Fluh befinden sich noch tausende Tonnen Munition, die geräumt werden müssen. Tim Ney beaufsichtigt, ob beim Grossprojekt der Räumung alle Vorschriften zur Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten eingehalten werden.

      12. Dezember 2022: Tim Ney steht vor dem Eingang des ehemaligen Munitionslagers Mitholz. Ein graues Tor mitten im Berg, dahinter geht es kilometerweit in den Berg hinein. Rund um ihn die schöne Natur des Kandertals, neben ihm Militärangehörige in Uniform. Kaum etwas deutet darauf hin, dass hier noch Gefahr von ehemaliger Munition ausgeht. Tim ist etwas mulmig zumute, gleichzeitig ist er gespannt, was ihn im Innern der Bunkeranlage erwartet. Er betritt Neuland. Und auch für die Experten des Militärs ist die Zusammenarbeit mit der Suva in diesem Rahmen ein Novum. Doch für dieses komplexe Vorhaben, die Munition zu räumen, braucht es eine enge Zusammenarbeit von allen. Und so betritt Tim Ney das erste Mal die geschützte unterirdische Anlage.

      Munitionslager des Zweiten Weltkriegs

      Rückblick. Im Zweiten Weltkrieg wurde in Mitholz ein unterirdisches Munitionslager der Schweizer Armee gebaut. 1947 kam es darin zu Explosionen, wobei neun Menschen in der Umgebung der Anlage starben. Explodiert war ein Teil der eingelagerten Munition. Gemäss Schätzung von Fachleuten befinden sich in den eingestürzten Anlageteilen und im Schuttkegel heute noch bis zu 3500 Tonnen Munition mit einigen hundert Tonnen Sprengstoff. Die von den Munitionsrückständen ausgehenden Risiken können nur mit einer Räumung des ehemaligen Munitionslagers endgültig beseitigt werden. 2021 startete das Räumprojekt, 2044 soll es abgeschlossen sein. Die Situation ist komplex: Das ehemalige Munitionslager befindet sich unter einer markanten, zerklüfteten und instabilen Fluh. In unmittelbarer Nähe liegt die Streusiedlung Mitholz. Ausserdem birgt der Untergrund eine sensible Grundwassersituation. Mit der Lötschberg-Bahnstrecke und der Nationalstrasse führen vielbefahrene Verkehrsachsen direkt an der Anlage vorbei. Die Bewohnerinnen und Bewohner im Sicherheitsperimeter müssen vor Beginn der Räumungsarbeiten wegziehen und für die Strasse und Bahnstrecke werden Schutzmassnahmen ergriffen.

      Die Sicherheit geht vor

      2022 wird die Suva ins Projekt geholt. Tim Ney und das Team Chemie sind in Zusammenarbeit mit dem Bereich «Bau» und der Abteilung «Arbeitsmedizin» zuständig für umfassende Kontrollen und Beratungen zur Sicherstellung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes. Unterstützt werden sie dabei auch durch das Amt für Wirtschaft in Bern. Die Zusammenarbeit mit Bund und Kanton ist eingespielt, wie Tim Ney erklärt: «Die Zusammenarbeit zwischen dem Bund, den Kantonen und uns ist hervorragend. Wir haben alle dasselbe Ziel: die Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.» Dies bestätigt auch Tom Hofmann, Arbeitshygieniker und Sicherheitsverantwortlicher Projekt Räumung ehemaliges Munitionslager Mitholz: «Unser grösstes Ziel ist die grösstmögliche Sicherheit. Diese möchten wir mit einer offenen Fehlerkultur über alle Hierarchien hinweg und einem engmaschigen Netz von Messungen und Vorsorgeuntersuchungen erreichen.»

      August 2024

      In der Zwischenzeit war Tim Ney schon über zehn Mal in Mitholz. Dieses Mal mit dem Team vom «équipe» im Schlepptau. Er läuft für die Begehung zielsicher durch die Gänge der Anlage. Einige Militärangehörige sind mit dem Fahrrad unterwegs. «Da die Kavernen mehrere Kilometer lang sind, ist dies das einfachste Fortbewegungsmittel», erklärt uns Tim. Er zeigt uns, hinter welchen Türen sich die eingestürzten Bereiche befinden. Aktuell werden dort in den Hohlräumen über der Munition eine Trennschicht aus Splitt und darüber eine Pufferschicht als Steinschlagschutz eingebaut. So können Felsstürze beim Rückbau der instabilen Fluh keine Gefahrenmomente mehr darstellen. In der nächsten Phase muss die Bevölkerung im Sicherheitsperimeter Mitholz verlassen und anschliessend werden die Schutzbauwerke für Strasse und Bahn gebaut, bevor 2033 die effektive Räumung startet. Für die Räumung der grossen Munitionsmengen muss die markante Fluh bis zu den verschütteten Munitionskavernen abgebaut werden. Ab 2041 kann das Gelände wieder besiedelt werden.

      Wir begleiten Tim Ney weiter durch das Labyrinth im Berg. Wenn ihm etwas auffällt, macht er Tom Hofmann kurz darauf aufmerksam. Es zeigt sich: Die Zusammenarbeit hat sich eingespielt, die Chemie stimme, erklärt Tom Hofmann: «Tim und ich, wir sind beide Arbeitshygieniker. Wir kennen die Fähigkeiten des anderen genau und arbeiten transparent miteinander.» Tim zeigt sich auch begeistert von der Arbeit des Militärs: «Ich bin beeindruckt von den Spezialisten der Kampfmittel- und Minenräumung des Militärs. Es erinnert mich an Archäologen, wie sie bei den Sondiergrabungen vorsichtig Stück für Stück der verschütteten Munition freiräumen. Hier wird alles für die Sicherheit gemacht.».

      Beim Weitergehen erklären uns die Experten die Herausforderungen und die Komplexität des Räumprojektes in Mitholz: Nebst der latenten Gefahr durch die Explosivstoffe kann es zu diversen Gefährdungen bei den Bauarbeiten kommen, auch weil die Munitionsrückstände gesundheitsgefährdende Substanzen enthalten. Diese etwas weniger offensichtliche und wahrnehmbare Gefährdung erfordert besondere Aufmerksamkeit, auch aus ökologischer Sicht.

      Tim Ney steht in einem Munitionslager in Mitholz und führt eine Kontrolle durch.

      «Once in a lifetime»

      Das Projekt, erzählt uns Tim, dauere bis kurz vor seiner Pensionierung. Ein «Once in a lifetime»-Projekt nennt er es. Besonders gefällt ihm die Vielfalt und Komplexität. «Es sind unterschiedlichste Themengebiete. Teilweise können Fragestellungen nur in Zusammenarbeit mit vielen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen beantwortet werden.» So arbeitet er auch mit diversen Abteilungen der Suva zusammen. Als er 2019 zur Suva kam, hatte er nicht ein solch grosses Projekt vor Augen. Doch die Vielfalt an Themen sowie die Sinnhaftigkeit der Arbeit haben ihn aus der Chemiebranche zur Suva und zum Beruf des Arbeitshygienikers geführt. Egal ob in Mitholz oder bei seinen anderen Projekten, so erklärt Tim, er könne einen Mehrwert leisten: «Der grösste Ansporn in meinem Beruf ist es, ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld zu gewährleisten, welches das Wohlergehen aller Mitarbeitenden schützt und fördert.»

      Finden Sie diese Seite hilfreich?