Unfallbeispiel: Kopf in Drehmaschine eingeklemmt
Eigentlich wissen es alle: Wer bei Instandhaltungsarbeiten die Sicherheit vernachlässigt, lebt gefährlich. So wie Roger P., der dies schmerzlich erfahren musste. Damit Sie diesen Arbeitsunfall in Ihre Schulung einbauen können, haben wir die Ursachen nachvollziehbar rekonstruiert.
Inhalt
Kurz und bündig
Instandhaltungsarbeiten sind risikoreich und tolerieren bei der Sicherheit keine Halbheiten. Dass selbst Profis nicht vor Unfällen gefeit sind, musste auch der Polymechaniker Roger P. erfahren. Missachtete Regeln, eine falsche Handbewegung – und schon wurde der Fachmann in der Drehmaschine eingeklemmt und schwer verletzt. Ein traumatisches Erlebnis für den Verunfallten, denn die Bergung war kompliziert, sodass er lange in dieser kritischen Lage ausharren musste.
Die Unfallabklärung der Suva hat folgende Ursachen festgestellt:
- Die Maschine war nicht gegen Wiedereinschalten gesichert.
- Die Schutzeinrichtung wurde manipuliert.
- Der Polymechaniker hat die lebenswichtigen Regeln Instandhaltung ignoriert.
Rekonstruktion des Unfalles
Dieser Fall beruht auf wahren Begebenheiten.
Roger P. ist Polymechaniker. Er arbeitet seit zwanzig Jahren im selben Betrieb und hat bereits viele Instandhaltungsarbeiten ausgeführt. Vielleicht lag es an seiner Routine, dass er die Gefahren und somit die Sicherheit nicht mehr ganz so ernst genommen hat. Schliesslich ist noch nie etwas passiert. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag...
Der Unfallhergang
Der erfahrene Berufsmann muss den Werkzeugrevolver seiner Drehmaschine neu justieren. Dazu hat er ein Schutzblech entfernt. Nach Abschluss der Arbeit will er das Blech erneut anschrauben. Dazu beugt er sich tief in den Bearbeitungsraum der Maschine. Beim Festziehen der Schrauben verliert er kurz das Gleichgewicht. Spontan hält er sich mit der rechten Hand am Maschinengehäuse fest und gerät dabei ungewollt an den Vorschubtaster auf der Bedienungskonsole. Damit setzt er die Maschine in Gang, und in Sekundenschnelle saust der Werkzeugrevolver nach links und drückt Kopf und Oberkörper des Polymechanikers gegen die Werkstückspindel.
Die Folgen für den Mitarbeiter
Bis Roger P. befreit werden kann, steckt er eine Stunde lang unter grossen Schmerzen in der Maschine fest. Er erleidet Platzwunden am Kopf, Knochenbrüche im Gesicht und einen komplizierten Armbruch. Auf einen Spitalaufenthalt mit mehreren Operationen folgt eine mehrwöchige Genesungs- und Rehabilitationszeit. Dies alles hat nicht nur Roger P. stark belastet, sondern ebenso seine Angehörigen und das Team im Betrieb.
Das Nachspiel
Beim Drehautomaten handelte es sich um eine Occasionsmaschine. Diese war mit einer mangelnden Schutzeinrichtung geliefert worden. Weil die Geschäftsleitung auf eine Nachbesserung verzichtet hat, landete der Fall vor Gericht.
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Der Unfall zieht eine Strafuntersuchung gegen den Geschäftsführer des Maschinenbaubetriebs nach sich.
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Der Geschäftsführer wird wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe von 7800 Franken und der Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt.
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Nach Weiterzug des Verfahrens bis vors Bundesgericht, bestätigt dieses das Urteil (BGer 6B 287/2014
, Artikel K-Tipp ).
Analyse der Fehlerkette
Die Unfallabklärung durch die Suva ergab ein klares Bild. So zeigten sich einmal mehr jene typischen Fehler, die bei Instandhaltungsarbeiten von Maschinen und Anlagen leider immer wieder zu schweren Unfällen führen.
Die Drehmaschine war eingeschaltet
Roger P. hat den schweren Fehler begangen, dass er die Drehmaschine nicht ausgeschaltet hat, um die Justierarbeiten durchzuführen. Und das, obwohl er dafür nur zwei oder drei Minuten benötigt hätte.
Dabei lautet die Grundregel für sämtliche Arbeiten zur Instandhaltung, Wartung oder Fehlersuche: Die Maschine oder Anlage muss ausgeschaltet und gegen Wiedereinschalten gesichert sein – beispielsweise mit einem persönlichen Vorhängeschloss am Revisionsschalter.
Manipulierte Schutzeinrichtung
Bei offener oder abmontierter Schutzeinrichtung müsste der Überwachungsschalter die Maschine zwangsweise stillsetzen. Diese Schutzeinrichtung wurde jedoch mit einem losen Gegenstück ausser Funktion gesetzt.
Die Manipulation von Schutzeinrichtungen ist verboten. Arbeitgebende und Vorgesetzte sind dafür verantwortlich, dass dieses Verbot in ihrem Betrieb durchgesetzt wird.
Unkontrollierte Handbewegung
Wenn während Arbeiten etwas Unvorhergesehenes geschieht, reagieren Mitarbeitende aus einem Impuls heraus. So hat sich Roger P. – nachdem er drohte, das Gleichgewicht zu verlieren – mit einer blinden Handbewegung irgendwo am Maschinengehäuse festgehalten und die Drehmaschine ungewollt in Gang gesetzt.
Arbeiten verlaufen nicht immer nach Drehbuch. Hätte der Polymechaniker die lebenswichtigen Regeln nicht nur gelesen, sondern auch umgesetzt, hätte er sich eine äusserst schmerzvolle Erfahrung erspart.
Rechtliche Grundlagen
Die Verordnung über die Unfallverhütung (VUV
- Art. 3 VUV
verlangt, dass Arbeitgebende alle notwendigen Sicherheitsmassnahmen ergreifen, um die Arbeitssicherheit zu wahren. Dabei geht der Artikel auch auf die Schutzeinrichtungen von Maschinen und Anlagen ein. - Art. 6 VUV
verpflichtet Arbeitgebende, ihre Mitarbeitenden über die Gefahren und Massnahmen zur Arbeitssicherheit zu informieren und sie entsprechend anzuleiten. - Art. 11 VUV
verlangt von den Arbeitnehmenden, dass sie die Weisungen ihrer Vorgesetzten befolgen und die Sicherheitsregeln berücksichtigen. - Art. 28 VUV
besagt, dass Arbeitsmittel, die beispielsweise durch bewegte Teile Arbeitnehmende gefährden können, mit entsprechenden Schutzeinrichtungen auszurüsten sind. - Art. 30 VUV
nimmt Bezug auf die Steuer- und Schalteinrichtungen. Im Artikel heisst es, dass Arbeitsmittel – und wenn nötig auch ihre Funktionseinheiten – über Einrichtungen verfügen müssen, mit denen sie von jeder Energiequelle abgetrennt werden können. Dies gilt insbesondere für noch vorhandene gefährliche Energien. - Art. 32a VUV
schreibt vor, dass Arbeitsmittel nur bestimmungsgemäss eingesetzt werden dürfen. Dabei sind die Vorgaben des Herstellers zu berücksichtigen.