Benefit 2. Ausgabe 2024, Juni
19. September 2024 | von Daniel Schriber; Fotos: Fabian Hugo

So beeinflussen Führungskräfte die Präventionsarbeit positiv

Seit einem tragischen Unfall vor einigen Jahren geniesst das Thema Arbeitssicherheit bei der Firma Herzog Bau und Holzbau AG aus Stettlen höchste Priorität. Eine zentrale Rolle übernehmen dabei die Führungskräfte.

Inhalt

      Manchmal reicht ein Bruchteil einer Sekunde, um alles zu verändern. Ein dumpfes «Plopp» ist zu hören, als die Messerspitze auf das Ziel trifft; wenig später verteilt sich die rote Flüssigkeit auf dem Boden. Das Ziel ist in diesem Fall ein Gelatineblock, die Flüssigkeit klebriger Himbeersirup – und doch fährt die Szene ein. Wo kurz zuvor noch ein Stimmengewirr zu hören war, herrscht für einen Moment Stille. Dann erlöst Timo Schneider das Publikum. Der Holzbau-Fachmann legt seine Steinschleuder zur Seite und ruft: «Ein Schuss, ein Treffer!» 

      Mit seinem Experiment wollte Schneider seinen Kolleginnen und Kollegen der Herzog Bau und Holzbau AG demonstrieren, wie wenig es braucht, um viel anzurichten. Was also passieren kann, wenn sich bei einer Kehlmaschine ein Messer lösen und statt in Gelatine in das eigene Fleisch eindringen würde. «Genau deshalb solltet ihr vor jeder Anwendung der Maschine immer kontrollieren, ob alle Messer richtig angezogen sind», schliesst Schneider seine Präsentation.

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      Kleines Teil, grosse Gefahr: Das nicht richtig befestigte viereckige Messer einer Kehlmaschine würde in einem Oberschenkel eine ähnliche Wunde verursachen wie im Experiment.
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      Gelatine, Plastikknochen und Himbeersirup – das unversehrte Modell eines Oberschenkels vor dem Experiment.
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      Timo Schneider zeigt, wo sich die Blutbahnen im menschlichen Körper befinden.

      Arbeitssicherheit wird regelmässig thematisiert

      Das Experiment erfolgte im Rahmen eines Treffens zur Arbeitssicherheit bei der Herzog Bau und Holzbau AG. Alle vier Wochen kommen die Mitarbeitenden zusammen, um sich über ein spezifisches Thema aus diesem Feld informieren zu lassen. Die Präsentationen stammen dabei nicht nur von den Führungskräften, sondern von allen Mitarbeitenden – Lernende inklusive. «Mit diesen Beiträgen machen wir die Arbeitssicherheit konsequent zum Thema», erklärt Thomas Haas, Inhaber und Geschäftsleiter des Unternehmens. 

      Auch er zeigt sich beeindruckt von dem Steinschleuder-Experiment: «Solche Beispiele kommen dir wieder in den Sinn, wenn du an der Maschine stehst.» Der Chef legt Wert darauf, dass seine Führungscrew ein Klima des offenen Dialogs fördert, in dem Mitarbeitende ganz natürlich über Unsicherheiten und über Sicherheit sprechen können. Die monatlichen Treffen sind eine von vielen Massnahmen, die das Unternehmen eingeführt hat, um das Sicherheitsbewusstsein der Mitarbeitenden zu fördern. 

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      Thomas Haas, Inhaber und Geschäftsleiter Herzog Bau und Holzbau AG

      «Arbeitssicherheit ist bei uns Chefsache. Wir müssen ständig dranbleiben, sonst schleichen sich Nachlässigkeiten und Routine ein»

      Dass der Betrieb in dem Bereich so vorbildlich agiert, hat einen tragischen Hintergrund: Vor einigen Jahren stürzte ein Mitarbeiter auf einer Baustelle so unglücklich, dass er sich schwer verletzte und heute querschnittgelähmt ist. Das schockierende Ereignis veranlasste die damalige Geschäftsführung, sich zusammen mit der Suva mit dem Thema «Integrierte Sicherheit» zu beschäftigen. Dadurch sollten die Berufsunfälle reduziert, die Ausfallzeiten minimiert und die Versicherungsprämien gesenkt werden.

      «Kulturrevolution» trägt Früchte

      Bis echte Resultate sicht- und messbar wurden, dauerte es zwar einige Jahre – doch die Zahlen sprechen für sich: 2019 zählte der Betrieb 19 Berufsunfälle, 2021 waren es noch neun, vergangenes Jahr nur noch fünf. Thomas Haas ist stolz auf das Erreichte, er spricht von einer «Kulturrevolution ». Nebst den Unfallzahlen konnte Herzog in den letzten Jahren auch die Versicherungsprämien halbieren. Haas betont aber: «Wir müssen ständig dranbleiben.» Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sich Nachlässigkeiten und Routine einschlichen. 

      Präventionstipps von Thomas Haas

      Reden ist Gold: Ermutigen Sie Ihre Mitarbeitenden dazu, Bedenken bezüglich der Sicherheit am Arbeitsplatz offen zu äussern. Ein gutes Kommunikationsklima zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden hilft, Probleme frühzeitig zu erkennen.

      Sicherheit betrifft alle: Regelmässige Schulungen und Weiterbildungen zur Arbeitssicherheit tragen zu einer erhöhten Sicherheitskultur bei.

      Steter Tropfen: Überprüfen Sie regelmässig verwendete Werkzeuge und Maschinen. Unfallrisiken können so frühzeitig erkannt und beseitigt werden.

      Davor warnt auch Christoph Schmied, Leiter Schreinerei. «Um das zu verhindern, stehen die Führungspersonen besonders in der Pflicht.» Im Fall von Schmied bedeutet dies, dass er regelmässig durch die Schreinerei geht und seine Mitarbeitenden auf potenzielle Gefahren hinweist. Gerade das Thema Stolpern und Stürzen käme häufig zur Sprache. «Obwohl wir sehr ordentlich arbeiten, kommt es immer wieder vor, dass irgendwo ein Kabel oder eine Latte am Boden liegt.» 

      Arbeitssicherheit ist Arbeitszeit

      Arbeitssicherheit geniesst in dem Familienunternehmen einen hohen Stellenwert. Sichtbar wird das unter anderem an den wöchentlichen Geschäftsleitungssitzungen, wo das Thema fix traktandiert ist. «Sicherheit ist Chefsache», betont Haas. «Wir führen eine Pendenzenliste mit Themen aus der Arbeitssicherheit, die wir über das Jahr hinaus behandeln möchten.» 

      Dies geschieht in Form von den Arbeitssicherheits-Events, manchmal aber auch im Rahmen von Informationsschreiben, die dem Lohnbrief beigelegt werden. Zudem ist die Arbeitssicherheit Teil des Pflichtenhefts aller Mitarbeitenden. Klar ist für den Chef auch, dass diese Themen nie vor Betriebsbeginn oder nach Feierabend besprochen werden, wenn die Leute mit dem Kopf sowieso woanders sind. «Dinge, die dem Unternehmen wichtig sind, gehen auf Arbeitszeit», betont Haas. Das koste etwas, lohne sich aber. 

      Kontinuität als Erfolgsrezept

      Wer sich mit Thomas Haas, Christoph Schmied und den anderen Mitarbeitenden der Herzog Bau und Holzbau AG unterhält, der spürt: Das Thema Arbeitssicherheit lässt sich nicht einfach so erledigen und dann abhaken. «Der Schlüssel zum Erfolg sind Kontinuität und die Unterstützung der Unternehmensführung», betont Haas. «Nur wenn die Geschäftsführung und die Teamleitenden dranbleiben, vom Weg überzeugt sind und mit gutem Beispiel vorangehen, werden ihn auch die übrigen Mitarbeitenden gehen.»

      Präventionskultur, was ist das?

      Eine gelebte Präventionskultur besteht aus sechs miteinander verbundenen Dimensionen, wobei die Kommunikation im Zentrum steht. In diese Handlungsfelder sollte ein Unternehmen investieren, um Sicherheit und Gesundheit im Arbeitsalltag und in der Freizeit zu verankern. 

      Die Grundlage der Präventionskultur
      Präventionskultur

      Die Grundlage der Präventionskultur

      Die Arbeitswelt ist komplexer geworden. Eine wirksame Prävention gelingt nur dann, wenn alle sie mittragen. Die sechs Dimensionen der Präventionskultur umfassen alle Bereiche eines Unternehmens.
      Mehr zu den 6 Dimensionen

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