29. August 2022 | von Regula Müller

Ursula Schwaller Leben mit Paraplegie

Ursula Schwaller verunfallte bei einer Schneeschuhtour 2002 so schwer, dass sie heute im Rollstuhl sitzt. Vor rund drei Jahren folgte der nächste Schicksalsschlag. Nichtsdestotrotz ist sie sportlich sowie beruflich sehr erfolgreich.

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      "benefit" 3_22 Rubrik "vor Ort"

      Zusammen mit ihrem Partner befand sich Ursula Schwaller auf einer Schneeschuhwanderung auf den Moléson als sie ausglitt. Sie verlor die Kontrolle, rutschte den Hang runter und stürzte über eine Felskante acht Meter in die Tiefe. «Ich landete in einem Bachbett und wusste sofort, dass ich querschnittsgelähmt bin», erinnert sich Ursula Schwaller (46). Lebensgefährlich wurde es, als die Rega wegen des Nebels nicht zum Unfallort gelangen konnte. Schwaller war unterkühlt und konnte wegen einer gebrochenen Rippe, die den Lungenflügel durchbohrte, kaum mehr atmen. «Kurz bevor die Rega den Flug abbrechen wollte, lichtete sich der Himmel und ein Retter konnte am Seil zu mir runtergelassen werden.»

      Perspektiven eröffnen

      «Im Paraplegikerzentrum in Nottwil hatte ich zu Beginn sehr dunkle Stunden.» Mit ihrer Ärztin hatte Schwaller verabredet, dass sie ein Jahr durchhalten würde und danach entscheide, ob sie so noch weiterleben wolle. «Der Entscheid fürs Leben fiel aber viel schneller. Es taten sich Perspektiven auf, die ich so dringend brauchte.» Zwei Wochen nach dem Unfall brachte ihr Partner Marcel, ein Katalog mit Handbikes mit ins Paraplegikerzentrum. «Ich musste ein solches Bike haben, denn ich wollte unbedingt auch nach dem Unfall mit dem Velo unterwegs sein.» Schwaller konnte wieder davon träumen, mit dem Velo durch Schweden zu reisen. Die Liebe zum Profisport mit dem Handbike kam erst später dazu. 2009 holte die Freiburgerin bei den Weltmeisterschaften in Bonogno (IT) sogar drei Weltmeistertitel: im Zeitfahren, im Strassenrennen und im Teamwettbewerb. «Ohne meine Querschnittlähmung hätte ich die Emotionen eines solchen Erfolgs nie erleben dürfen», sagt Schwaller rückblickend.

      Im Beruf bleiben

      Zum Zeitpunkt des Unfalls arbeitete Schwaller erst seit einem Jahr als Architektin. «Mein Arbeitgeber war sofort bereit, die Büroräumlichkeiten rollstuhlgängig umzubauen. Dieser Support war enorm wichtig für mich.» Kurz nachdem sie das Paraplegikerzentrum verlassen hatte, baute Schwaller ihr eigenes Haus und übte sich dabei in der Rolle als Bauleiterin. Dass sie dadurch einen Erfahrungsschatz aufbauen konnte, sei enorm wichtig gewesen, sagt Schwaller: «Bei allfälligen Konflikten muss ich als Frau und als Rollstuhlfahrerin ein grosses Selbstbewusstsein haben in dieser Branche.» Sie fühle sich ab und an nicht ganz ernst genommen. Aus dem Konzept bringt sie das aber schon lange nicht mehr.

      Erneuter Schicksalsschlag

      Vor gut drei Jahren erlitt Ursula Schwaller erneut einen schweren Unfall. Während dem Training missachtete eine Autofahrerin Schwallers Vortritt im Kreisverkehr. Sie fuhr Schwaller über beide Beine. Schwaller erlitt mehrere Knochenbrüche, musste sechs Operationen über sich ergehen lassen und war während zwei Jahren nicht mehr voll arbeitsfähig. «Ich habe mich immer wieder gefragt, welcher der beiden Unfälle schlimmer war.» Die Schmerzen in den Beinen, welche durch die Lähmung nicht ans Hirn weitergeleitet wurden, zeigten sich in Form von Spastiken. «Diese waren so massiv, dass sich mein Becken um sechs Zentimeter verschob. Sehr lange schlug keine Therapie an.» Mittlerweile konnte sich Ursula Schwaller auch von diesem Rückschlag erholen und freut sich, dass sie dadurch ein neuer Sport entdeckte: Das Mountainbiken.

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