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21. Juni 2023 | von Regula Müller

Nach dem Unfall die Schulbank drücken

Nuno Seitan stürzte 2019 bei Arbeiten am Leitungsmast fünf Meter in die Tiefe. Wegen den Schmerzen und einer posttraumatischen Belastungsstörung ist eine Umschulung nötig.

Inhalt

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      «Nach dem Unfall habe ich Deutsch gelernt.»

      Nuno Seitan (44)

      Mit 21 Jahren kam Nuno Seitan (44) aus Portugal in die Schweiz zum Arbeiten. Sein Bruder hat ihm einen Job organisiert. Nuno Seitan hat sich hier ein Leben aufgebaut, besitzt ein Haus mit Garten und ist verheiratet. Dennoch hat er während zwanzig Jahren die deutsche Sprache nur wenig gelernt. «Ich habe mich in der portugiesischen Community bewegt und auch bei der Arbeit im Hochspannungsbereich war ich von Landsleuten umgeben», erklärt Seitan diesen Umstand. Geändert haben sich die Sprachkenntnisse erst nach dem Unfall.

      Kopfschmerzen und Tinnitus

      Es war im Januar 2019 als Nuno Seitan (44) als Korrosionsschutzmaler und Monteur an einem Leitungsmast arbeitete. In der Höhe von fünf Metern glitt er vermutlich auf der vereisten Leiter aus und stürzte in die Tiefe. «Als ich aufwachte, konnte ich mir nicht erklären, woher all dieser Schmerz stammt.» Seitan hat sich seine Wirbelsäule, sein Handgelenk und seine Schulter verletzt. Es folgten mehrere Operationen und einen sechswöchigen Aufenthalt in der Rehaklinik Bellikon. «Noch heute habe ich migräneartige Kopfschmerzen und einen Tinnitus. Ausserdem habe ich eine posttraumatische Belastungsstörung, welche auch die Höhenangst geweckt hat.»

      Lehre als Informatik-Systemtechniker

      Die Folgen des Unfalls zwangen Nuno Seitan zu einer Neuorientierung. «Als sich abzeichnete, dass ich nicht in meinen Job zurückkehren kann, begann eine sehr schwierige Zeit. Die Ungewissheit war kaum auszuhalten», erinnert sich Seitan. Auch seine Frau habe sehr gelitten. Denn sie war es, die ihn pflegte, die den Haushalt schmiss und daneben weiterhin berufstätig war. Licht am Horizont gab es nach ungefähr acht Monaten. Die Arnold AG, bei welcher Seitan zum Zeitpunkt des Unfalls arbeitete, ist eine Tochterfirma der BKW. «Das war mein Glück, denn innerhalb der BKW wurde extra einen Ausbildungsplatz als Informatik-Systemtechniker für mich geschaffen.» 

      Im Rekordtempo Deutsch lernen

      Mittlerweile ist Nuno Seitan im dritten Informatiklehrjahr. Er drückt die Schulbank zusammen mit ganz jungen Menschen. «Das ist eine spannende Erfahrung. Ich könnte deren Vater sein», lacht Seitan. «Schwieriger war zu Beginn die Sprachbarriere. Ich musste in kürzester Zeit Deutsch lernen.» Nächtelang habe er die Sprache gepaukt. Unterdessen fällt ihm das Verstehen und Bearbeiten des Unterrichtsstoffs viel einfacher und seine Noten sind herausragend. «Ich wünsche mir nach der Lehre eine Festanstellung. Im Anschluss möchte ich mich an der Fachhochschule weiterbilden.»

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